Persönliche Erklärung zur Vertrauensfrage des

Bundeskanzlers Gerhard Schröder

Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen

Bundestages

Ich werde die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers Gerhard Schröder mit einem Ja beantworten. Dieses Ja gilt dem rot-grünen Regierungsprojekt, das in der Praxis der vergangenen Jahre immer in der Lage war, eine stabile Mehrheit in den sie tragenden Fraktionen zu finden, selbst bei schwierigen Diskussionen in der Sache. Diese Bundestagsmehrheit und die sie tragenden Fraktionen haben ein Mandat für eine volle Legislaturperiode. Dieses Mandat ist von vielen erkämpft worden und keineswegs eine Selbstverständlichkeit in der Geschichte der Nachkriegsrepublik. Die Wähler, die den Abgeordneten dieses Mandat erteilt haben, haben es nicht mit der Absicht erteilt, daß wir ein Viertel der Regierungszeit ungenutzt dem Souverän zurückübertragen sollten. Ich bestreite auch, daß es zum jetzigen Zeitpunkt keine stabile Unterstützung für die noch ausstehenden Regierungsvorhaben und die vielen noch vorgesehenen Arbeitsvorhaben, Gesetzesinitiativen und Anträge in den Fachausschüssen gibt. Ich bestreite nicht, daß die derzeitige Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und die schwierigen notwendigen Reformen auf heftige Kritik in der Bevölkerung und in den Medien stößt. Es gäbe aber durchaus Zeit und Möglichkeit, in den kommenden Monaten für diese Zustimmung zu werben und mögliche Fehler zu korrigieren. Das Regieren bei der ständigen Gefahr des Blockierens durch den Bundesrat ist eine schwierige Sache, auch das ist mir bekannt. Das offensichtlich angestrebte eigentliche Ziel dieser Vertrauensfrage, die Initiierung von Neuwahlen, würde an dieser Bundesratsmehrheit aber faktisch nichts ändern. Auch waren die Möglichkeiten zur Reform des Föderalismus in der Frage der jeweiligen Zuständigkeiten in der Gesetzgebung noch nicht völlig ausgeschöpft. Als besonders dramatisch empfinde ich den außenpolitischen Schaden, der durch den Versuch einer mit den Mitteln der Vertrauensabstimmung erzwungenen Neuwahl angerichtet wird. Schon allein aus Gründen der aktuellen Krisen in der Europäischen Union und der Reformbestrebungen des UN-Generalsekretärs Kofi Annan bedarf es einer vollen Konzentration einer rot-grünen Bundesregierung – und zwar als stabiler verläßlicher Faktor – auf diese schwierige Etappe in den internationalen Verhandlungen und Beratungen. Ausgerechnet in dieser Zeit sich vorrangig einem Wahlkampf und damit nur einer halben Handlungsfähigkeit auszusetzen, ist angesichts der internationalen kritischen Situation die falsche Entscheidung. Nicht zuletzt gibt es schwerwiegende Einwände aufgrund unserer Verfassung gegen ein solches Vorhaben. Die Vertrauensfrage ist nicht das geeignete Mittel, um ein Plebiszit über die Regierungspolitik herbeizuführen. Ein derartiges Plebiszit ist im Grundgesetz ebenso wenig vorgesehen, wie das Selbstauflösungsrecht des Parlaments. Gerade angesichts des Moments von Druck und Subjektivität in der jetzigen Entscheidungssituation, trete ich entschieden dafür ein, daß ein möglicher neuer Bundestag umgehend sich selbst die Möglichkeit eines Selbstauflösungsrechts erkämpft. Diese Möglichkeit von Selbstbestimmung stärkt die Rechte des Parlaments und der einzelnen Parlamentarier. > Zurück
© 2015 Dr. Antje Vollmer